Die Versöhnung mit dem Tod.

 

Laut Statistik entspricht das durchschnittliche Alter eines Corona-Toten ungefähr seiner Lebenserwartung – ca. 78-82 Jahre, je nach Quelle. Es gehen also Menschen, deren Zeit ohnehin gekommen war. Im dritten Winter der Pandemie frage ich mich, was mit uns eigentlich los ist?

Als Psychotherapeutin erlebe ich das Phänomen, dass das, was der Patient erzählt oft nur etwas Vordergründiges ist, es ist nicht das Gleiche, was auf der seelischen Ebene geschieht. Der Hund ist meist ganz wo anders begraben, aber es ist uns nicht bewusst. Ein wesentlicher Teil der Psychotherapie besteht gerade darin, sich dessen bewusst zu werden, indem man Projektionen und Verdrängung überwindet.

Was geschieht also mit uns seelisch in der Pandemie? Ich glaube, es ist die Angst vor dem Tod, die uns in den Wahnsinn treibt. Der Tod wird durch den Medien-Verstärker nahezu omnipräsent. Wir lesen jeden Tag die Totenstatistik. Unter Pandemie sterben die Alten anders: Früher starben sie unbemerkt an der Grippe, bei sich zu Hause; jetzt – auf der Intensivstation unter dem Beatmungsgerät, ja fast schon im Rampenlicht.

Unsere Endlichkeit wird uns vor Augen geführt und wird bewusster denn je. Ganz insgeheim leben wir tagtäglich im Glauben unsterblich zu sein. Wer beschäftigt sich schon gerne mit dem eigenen Tod? Wer überlegt sich, wie und wann es wohl passiert, was danach kommt und wie es hier auf der Erde ohne uns weitergeht? Der Tod ist stark verdrängt und unter tausend Schlössern weggesperrt. Und nun in der Pandemie ist die ganze Verdrängungsarbeit hinfällig.

Daher ist es nicht verwunderlich, dass wir uns an jedes Stroh festzuhalten versuchen, der uns vermeintliche Sicherheit verspricht oder Sündenböcke suchen, an denen wir unsere Angst und Frust abladen können. Doch es hilft alles nichts. Wir können die eigene Sterblichkeit nicht länger ignorieren. Sie ist vielleicht der einzig sichere Fakt momentan, aber auch eine Einladung, unser Leben grundsätzlich zu überdenken.

Es lebt sich anders, wenn man weißt, dass unsere Zeit begrenzt ist. Das berichten viele todkranke Menschen mit sicherer Diagnose und begrenzter Zeitperspektive. Was würdest du machen, wenn du wüsstest, dass heute dein letzter Tag wäre? Wir erlauben uns dann endlich zu uns selbst zu finden, unseren innigsten Wünschen nachzugehen, unsere Träume zu verwirklichen und unsere Seele aus dem Käfig der Verpflichtungen zu befreien.

Und das sollten wir jetzt dringen tun! Dann wird unsere Endlichkeit gar kein Problem mehr, denn wir haben aus voller Brust und mit offenem Herzen gelebt. Dann ist der Tod nicht das schreckliche Ende, sondern nur ein Übergang, wohin auch immer. Unsere Seele wird uns fröhlich dorthin begleiten, wenn wir sie lassen.