Intuitives Malen in Berlin

Heute ist der erste Schultag nach den Sommerferien. Noch ist es sommerlich heiß und sonnig, doch der Wechsel vom Ferienmodus zum Schulalltag setzt sich langsam im Bewusstsein durch. Es ist Zeit sowohl für den Rückblick auf die Ferien als auch für den Ausblick auf das neue Schuljahr. Für meine drei Kinder wird es ein Abschlussjahr sein, jede bringt ihre jeweilige Stufe zu Ende, und so folgt immer ein neues Kapitel auf das Vorige. Das Rad des Lebens dreht sich unaufhaltsam weiter.

Was die Ferien betrifft, so kann ich von meinem Highlight in Berlin berichten. Ich war 8 Tage in Berlin und habe das Nützliche mit dem Angenehmen verbunden – tagsüber der Malkurs „Intuitives Malen“ am Gestaltinstitut Berlin und abends stürzte ich mich in den Rausch des Tangos. Es war eine tolle Kombi.

Im Malkurs ging es nicht darum zu lernen, wie man etwas malt. Es ging vielmehr um das Wiederentdecken unserer schöpferischen Kraft. Dafür mussten wir alles Konventionelle hinter uns lassen. Wir haben mit Fingern oder mit geschlossenen Augen gemalt, innere Bilder oder Stimmungen zu Papier gebracht, und immer stellte ich mir die Frage – soll es ein Kunstwerk werde oder nicht? Schwer war immer der Verzicht auf das tolle Endergebnis. Denn wenn es kein Kunstwerk am Ende gibt, dann gibt es kein Lob und keine Anerkennung. Gibt es mich dann noch? Loslassen ist immer schwer und … befreiend.

Picasso hat mal gesagt: „Jedes Kind ist ein Künstler“. Das stimmt aber bei Weitem nicht jeder Erwachsene ist noch eins. Wir verlieren unsere Fähigkeit zur absichtslosen Kreativität, spielerischem Ausprobieren, wir verlieren die Verbindung zu unserer schöpferischen Quelle. Und ich möchte sie so gerne zurückgewinnen, nicht weil ich Künstlerin werden will, sondern weil sie uns so viel Lebensfreude schenkt.

Hier sind einige Eindrucke vom Kurs:

Teilnehmerinnen im Kunstraum – vier Frauen mit viel Freude an Kreativität. Mein Tisch war der erste und ganz nah an der Quelle – den Werkzeugen, Farben, Papieren und Pinseln. Toll!

Jeder Anfang ist schwer: Die erste Aufgabe lautet mit einem Stück Graphit mit geschlossenen Augen, beidhändig die innere Stimmung darstellen. Mein Blatt ist das Linke. Ich nannte es der Urknall. Hier fiel mir der Verzicht auf das Gelingen besonders schwer.

Ich mit einigen ausgewählten “Werken” und Sekt bei der abschließenden Vernissage.

Tango war am schönsten open air am Spreebogen, unweit vom Bundestag.

Mehr Männer bei Psychologen.

Dieser Kurzbericht erschien in unserer lokalen Zeitung Flensburg Avis und bestätigte prompt auch meine persönliche Beobachtung: Es rufen mehr Männer an und suchen psychologische Hilfe als früher. Es ist ein sehr gutes Zeichen, denn Männer leiden nicht weniger, haben aber oft höhere Hemmschwelle, seelische Probleme anzusprechen. In Statistiken zu Suiziden, Spielsucht, Alkoholismus, Obdachlosigkeit oder Burnout sind Männer überrepräsentiert. Das ist die traurige Schattenseite der Leistungsgesellschaft, in der Männer an der Leistungsfront glänzen müssen, massiv unter Druck geraten und keine Schwäche zeigen dürfen.

Seelische Themen zu behandeln ist aber auch für Männer heute wichtiger denn je. Ich freue mich über diese Trendwende und biete meine Sprechstunden selbstverständlich auch männlichen Klienten an. Nur wer mit sich im Reinen ist, kann in heutigen rasant wandelnden und unberechenbaren Zeiten bestehen. Nichts hat man sicher, außer sich selbst.

 

Mehr Männer bei Psychologen

Neue Praxis wird bald eröffnet.

Es fällt schwer, in turbulenten Zeiten wie heute, im dauerhaften Krisenmodus über etwas „Normales“ zu schreiben. Wir sind so von Katastrophen absorbiert, dass die Alltagsbewältigung und das Leben im Hier und Jetzt auf der Sparflamme läuft, oder? 

Dennoch wollte ich heute darüber berichten, dass ich dabei bin, neue Praxisräume fertigzustellen. Eine kleine Altbauwohnung wird gerade renoviert und verwandelt sich in einen Ort, wo man sich „life und direkt“ begegnen kann; wo man sich umarmen, zusammen weinen oder tanzen kann, einen Tee trinken und die gleiche Luft atmen. All das ging in den Jahren der Pandemie verloren und will wiederentdeckt werden. Viel zu lange Zeit haben wir vor unseren Bildschirmen verbracht. Auch Seminare und Fortbildungen sollen hier stattfinden können, und vielleicht sogar so mancher Tangotanzabend, mal sehen.

Die Renovierung ist zum längeren Projekt geworden, als ich ursprünglich gedacht hatte. Aber ich nehme mir gerne Zeit und suche Inspiration, damit es wirklich ein heilender Raum wird, gefüllt mit liebevoller Zuwendung, die schon beim Einrichten anfängt. Ich war z. B. im naheliegenden Dänemark, habe Flohmärkte und Genbrug (Secondhand Möbel) Boutiquen durchforstet auf der Suche nach besonderen Stücken mit Geschichte und konnte so ein Paar gebrauchte Designklassiker ergattern, schöne alte Lampen für die heimelige Atmosphäre. Ein besonderes Stück ist auch dabei – die Holzskulptur einer Nixe, die die Hüterin der guten Geister werden soll. 

Es entsteht und entwickelt sich langsam. Nicht selten werde ich gefragt, ob ich denn nicht lägst fertig sein will, Raufasertapete druff und fertig? Nein, das möchte ich nicht. Ich entdecke dabei auch meine Liebe zum Gestalten und Einrichten, ganz nach meinem Geschmack und Wohlfühlen. Die Geschichte des Raumes und des ganzen Hauses soll dabei mit einfließen und für den Tiefgang sorgen. 

Es bleibt spannend. Ich hoffe und plane im Herbst meine Türen zu öffnen, aber wer weiß, wer weiß, was noch alles dazwischen kommen könnte. Ich halte euch auf dem Laufenden.

Welche Farben tun der Seele gut?

Der Krieg und die inneren Bilder.

Zugegeben, ich habe eine Weile gebraucht, um mich von der Schockstarre der letzten Wochen zu erholen, bevor ich passende Worte finden konnte, um etwas zum aktuellen Geschehen in der Ukraine zu schreiben. Trotz aller Warnungen habe ich bis zum Schluss nicht daran geglaubt, dass es in meiner ehemaligen Heimat zu einem Krieg kommen könnte. Nun ist es eine neue Realität geworden, auf die ich bis heute nicht klarkomme. Es sind innere Bilder zerstört worden, mit denen ich groß geworden bin.

Ich bin während des Kalten Krieges in der Sowjetunion aufgewachsen. Zum Land gehörten neben Russland noch 14 weitere Republiken, darunter auch die Ukraine. Bei großen Festen präsentierten sich die Vertreter der 15 Republiken gewöhnlich mit ihrer Nationalkleidung, Musik und Tänzen. Der große Tenor war immer: „Wir sind alle Freunde, so unterschiedlich wir auch sein mögen“. Auch nach dem Zerfall der Sowjetunion sind wirtschaftliche und kulturelle Verbindungen nicht über Nacht verschwunden, sondern wurden auf freiwilliger Basis zwischen unabhängigen Staaten neu beschlossen. Und jetzt, 30 Jahre später, befinden sich Teile meiner ehemaligen Heimat im Krieg! 

Dieses letzte Wort fällt mir tatsächlich sehr schwer auszusprechen, denn noch ein weiteres Bild ist schwer in die Mitleidenschaft gezogen worden, nämlich das Selbstbild der Russen als Befreier, nicht Eroberer. Meine Mutter ist ein Jahr nach dem Ende des zweiten Weltkrieges auf die Welt gekommen. Ihre und meine Generation sind mit dem Bild groß geworden, dass die russische Armee ein Friedensbringer ist, der vom Bösen befreit und die Unschuldigen in Schutz nimmt. In Berliner Treptowpark steht ein Denkmal dem russischen Soldaten mit einem kleinen Mädchen auf dem Arm. So sehen sich die Russen gerne – herzlich, mitfühlend und integer. Die heutige Situation bringt dieses Bild mächtig ins Schwanken. Daher geht das Wort Krieg bei den Russen nur schwer über die Lippen. Die Obrigkeiten nennen es schlicht militärische Sonderoperationen und versuchen das alte Befreier-Bild neu zu bedienen, indem sie “die Entnazifizierung der Ukraine“ als Grund für den Einmarsch propagiert. Doch so ganz will die Kampagne nicht glücken. Die Stimmung in Russland ist bedrückt, es ist still, nur vereinzelt traut man sich zu protestieren.

Es ist sicherlich nicht das erste dunkle Kapitel in der Beziehung zwischen den beiden Ländern. Ich denke da an die Hungersnot in den 30gern Jahren, der vom Stalin künstlich herbeigeführt wurde, um das Volk zu brechen. Die beiden Mentalitäten sind auch sehr unterschiedlich. Die Ukraine war durch das milde Klima und fruchtbare Schwarzerde schon immer mit relativ höherem Wohlstand verwöhnt. Die Ukrainer sind, aus der Sicht der Russen, auf Wohlstand und Sicherheit bedacht. Die Russen sind in ihren unendlichen Weiten und strengem kontinentalen Klima nicht so geschickt, was die Selbstversorgung betrifft. Man lebt desolat, gibt dem Bedürftigen sprichwörtlich „das letzte Hemd weg“ und bleibt selbst mit nichts.

Wie so oft bei politischen Konflikten sind die Leidtragenden nicht die Anstifter, sondern die unschuldigen Menschen. Sie sind die Geisel der politischen Spielchen der Mächtigen. Dennoch sollten wir angesichts des Mitgefühls mit der leidenden zivilen Bevölkerung nicht unkritisch werden und das große Ganze des Geschehens nicht aus dem Auge verlieren. Wir sollten vielmehr für den Frieden sein! Im Krieg gilt die Logik: töte oder sterbe. Es gibt keine Kompromisse, keinen Mittelweg, keinen Platz für den Wunsch des Anderen. 

Dieser Logik befolgen wir oft unbewusst auch im Alltag, in dem wir glauben, wer nicht unserer Meinung ist, ist automatisch gegen uns. Aber das ist falsch und ist in Wirklichkeit ein infantiler Wunsch nach Unterstützung und Zugehörigkeit, wenn wir uns im inneren unsicher und alleine fühlen. Es ist an der Zeit zu reifen, dann stellt die (Denk)Freiheit des anderen nicht automatisch eine Bedrohung für uns dar.

Ein Neuanfang

Auch wenn politische Themen derzeit omnipräsent sind, möchte ich heute nicht über Politik schreiben, sondern darüber, wie es ist, etwas Neues anzufangen. Ein Neuanfang kann im Kleinen wie im Großen geschehen – eine neue Frisur, neue Bekanntschaft, ein neues Hobby oder eine neue Gesellschaftsform?

Ich habe vor Tagen meinen größeren Töchtern ihre Haare um ca. die Hälfte der Länge gekürzt und schon fühlen sie sich wie neugeboren, verändert und plötzlich so erwachsen. Sie verhalten sich anders, reden und bewegen sich anders. Ich erinnere mich: Eine neue Frisur war in der Kindheit ein großes Ding. Man fühlte sich wie gehäutet und völlig erneuert.

Auch ich habe einen Neubeginn gewagt und lerne seit Kurzem Trompete spielen. Es ist zauberhaft, ein neues Instrument zu entdecken. Ich spiele Klavier, seitdem ich acht bin und jetzt wage ich mich an ein neues Instrument heran, das ganz anders funktioniert. Klavier ist recht analog: Eine Taste – ein Ton, große Amplitude, es geht in die Weite, an der Tonqualität kann man nicht viel drehen, außer es lauter oder leiser zu spielen. Man fühlt sich mit Musik ein wenig auf Distanz. 

Die Trompete beansprucht den ganzen Körper und geht an das Innigste – deinen Atem, deine Mitte, deine Stimme und dein Kommunikationsorgan. Trompete ist subtiler und mit mehr Seele behaftet als das mechanische Klavier. Ihre Bauart ist recht einfach, fast schon primitiv. Die russische Bezeichnung entspricht dem ganz gut: Auf russisch heißt Trompete nämlich einfach „das Rohr“. Diese Einfachheit fasziniert mich und lässt Tieferes dahinter vermuten.

Auch im Großen können wir Neuanfänge erleben, die oft nach Krisen stattfinden. Ich habe bereits ein Systemwechsel erlebt, als die Sowjetunion zusammenbrach und die ganze Gesellschaft plötzlich vor nichts stand und sich langsam in ein neues System finden musste, nicht ohne Entbehrungen und Leidensdruck. Heute stehen wir vielleicht auch vor tiefgreifenden Veränderungen in der Gesellschaft, deren Ausmaß wir noch nicht einschätzen können. Krisen entstehen, wenn es nicht mehr so weiter gehen kann wie bisher. Dann ist ein Neubeginn der einzige Weg nach vorn.

In meinem beruflichen Alltag ist die Geburt der Kinder der häufigste Neuanfang, mit dem ich konfrontiert werde. Für viele geht es dann auch nicht mehr so weiter wie bisher, dann ist es eine Riesenchance, sich neu zu orientieren, mehr zu sich zu finden, sich mit seinem Wesen zu verbinden und einen Neuanfang zu wagen.

In jedem Anfang ist die ganze Entwicklung bereits enthalten, wie ein Baum im Samenkorn bereit im Keime enthalten ist. Es kommt darauf an, ob wir günstige Bedingungen schaffen können, damit aus dem Samenkorn tatsächlich ein Baum wird. Unser Geist stellt die Weichen und bewirkt, dass aus kleinem Neuanfang eine große schöne Sache werden kann. Nur Mut!