Das digitale Dorf und die analoge Einsamkeit.

Es braucht ein Dorf

um ein Kind großzuziehen – sagt man doch so. Man glaubt es kaum, aber ein Kind braucht tatsächlich viele Menschen zum Aufwachsen – wie ein Sicherheitsnetz für die junge Familie, damit sie ihrem Kind genug Liebe geben, genug Nervenstärke bewahren, genug Zeit mit ihm verbringen oder ein gemütliches Zuhause herrichten. Da braucht es schon mal viele Hände. Und so war es früher: Die Großeltern und die Tanten, die Freunde und Bekannte, alle lebten nah beisammen in einer Gemeinschaft und leisteten sich gegenseitig Unterstützung. Die jungen Frauen wurden von den Erfahrenen in die Geheimnisse des Frauseins eingeweiht und auf der Reise der Mutterschaft begleitet. Niemand war alleine. Wir Menschen sind soziale Wesen und fürs Alleinsein nicht geschaffen.

Allein mit dem Kind

Heute sieht das Leben anders aus. Im besten Fall ist es eine mini Familie aus Mutter, Vater und Kind. Eine Oma, die einmal pro Woche vorbeikommt, ist bereits ein Privileg. Doch zu oft ist es nur die Mutter ganz alleine, die ihre Kinder versorgt und null Unterstützung im Alltag erfährt. Wir vereinsamen in Großstädten weit weg von unseren Herkunftsfamilien. Das Verhältnis ist aber ohnehin schon so gestört, dass man sich lieber nicht ins eigene Familienleben einmischen lassen möchte. Der Alltag mit Kindern gefüllt von Einsamkeit zerrt an den Nerven. So kann die Mutter nicht ein warmer und weicher Zufluchtsort für ihre Kinder sein, am Limit ihrer Kraft mutiert sie zur chronisch genervten Furie. Wer viel gibt, muss emotional gut gepolstert sein, denn aus dem Leeren kann man nichts geben.

Das digitale Dorf

Vor dieser armseligen Wirklichkeit kommt uns das neue digitale Zeitalter ja fast wie ein Segen vor. Es schafft Menschenverbindungen und füllt uns mit Informationen. Man ist mit dem guten Rat und herzlichem Trost für einander da. Mütter bekommen Tipps für die Alltagsbewältigung. Man findet Verbündete und Gleichgesinnte. Es gibt Foren und Magazine, Interessen-Gruppen, Erklär-Videos, kreative Ideen und grenzenlose Inspiration. Man stellt auch sich selbst gern ins Rampenlicht und präsentiert das eigene Leben von der besten Seite. Es ist sehen und gesehen werden. Nun ist man nicht mehr allein?

Die kritischen Stimmen

Es ist alles so schön bunt hier, in der digitalen Welt, doch es werden Stimmen lauter, die uns das Vergnügen nehmen wollen mit dem Vorwurf, durch die übermäßige Mediennutzung die Beziehungen im realen Leben zu vernachlässigen. Das Smartphone wird zum Hassobjekt erklärt, die gesenkte Kopfhaltung – zum Sinnbild der Verblödung und die Unfälle beim Handynutzen zur Zielscheibe für Spott. Wie die Parallelwelt neben der Digitalen fristet dabei das reale Leben sein ärmliches Dasein.

Doch sind die digitalen Medien wirklich schuld an unseren missglückten Beziehungen, fehlenden Gesprächen und seelischer Leere?

Zugegeben, das Netz hat Suchtpotential. Es ist schon schlau eingefädelt von Twitter und Co. wie sie ihre Nutzer bei Laune halten. Wir unterhalten uns ja nicht nur, wie sammeln Herzchen, Retweets, Follower, Kommentare, batteln uns gegenseitig an, bekommen Bestätigung und wollen immer mehr davon.

Schaft Vernetzung auch Verbindung?

Neue Medien sind natürlich nur der Sündenbock, auf den wir die Last abschieben. Wir verschweigen und verleugnen uns etwas viel Wichtigeres – unsere Unfähigkeit, eine innige Beziehung mit anderen Menschen einzugehen. Auch unseren Kindern weichen wir lieber aus und da kommen die smarten Geräte ja gerade recht. Es ist zu bequem, die Kids mit dem iPad alleine zu lassen und ein wenig Ruhe zu genießen. Wir sind schließlich zu erschöpft, um uns mit den Kleinen zu beschäftigen, auch wenn wir wollten. Im Alltag sind wir ja immer noch alleine.

Das Netz leistet uns zwar große Abhilfe, dem richtigen Problem – unserer Vereinsamung – hilft es aber nicht. Es schenkt uns Herzchen, erwärmt aber nicht unser Herz, gibt Ideen fürs Leben mit Kindern, beschert aber keine quality time mit ihnen, gibt uns Follower, schafft uns aber keine echten Freundschaften, berieselt uns mit Unterhaltung und lässt uns ins Bodenlose fallen, wenn diese „Haltung“ weg ist.

Eine menschliche Verbindung, was ist das? Wir alle haben das Bedürfnis, gesehen, gehört und verstanden zu werden, Kinder noch tausendfach mehr als wir. Es ist jedoch anstrengend und ungewohnt, dem anderen Menschen gegenüber zu sitzen, durch die Augen bis in sein Herz zu schauen, erkennen, was er oder sie durchmacht, mitzufühlen und einen gehaltvollen Austausch stattfinden zu lassen. Wir haben es nicht gelernt und können es daher nicht bieten. Zu schade, denn durch eine menschliche Verbindung werden Gesichter nicht nur blau angeleuchtet, sie lässt diese richtig erstrahlen.

Na, noch schnell ein Paar passende Tipps googeln? 😉

Die Werbekampagne “The more you connect, the less you connect” zeigt, wie alleine und unsichtbar sich Menschen fühlen, wenn der andere geistig abwesend ist.

Schenke dir ein Buch.

Ich erinnere mich daran, als meine Schwiegermutter mir das Buch „Jedes Kind kann schlafen lernen“ geschenkt hat, als sie erfuhr, dass ich und mein damals Baby-Töchterchen in einem Bett schliefen. Ich habe nur innerlich die Augen gerollt, mich bedankt und das Buch beiseite gelegt. Da liegt es noch heute.

Ein Buch – eine Botschaft.

Bücher zu schenken kann eine heikle Angelegenheit sein, denn jedes Buch ist auch eine Botschaft und kann als erhobener Zeigefinger oder ungebetener Ratschlag verstanden werden. Würde ich mein Verhalten aufgrund dieses Buches ändern? Sicherlich nicht. Wir lassen uns nur von etwas überzeugen, was ohnehin die Zustimmung unseres Herzens findet. Wir ändern unsere Ansichten nicht aufgrund von guten Gründen. Die Letzteren sind immer nur eine Rechtfertigung im Nachhinein.

Ich muss zugeben, die meisten mir geschenkten Bücher habe ich nicht gelesen, nur wenn ich einen guten Draht zu der Person hatte, die sie schenkte. Selbst dann war es selten eine Offenbarung. Dagegen Bücher, die ich mir selbst ausgesucht habe, manchmal auch aufgrund einer Empfehlung, entfalten auf mich viel stärkere Wirkung.

Frei von Ideologie.

Kann ich mein eigenes Buch als Geschenk empfehlen? Ja, aber für sich selbst.

Mein Buch “Jede Mutter kann glücklich sein” verkauft keine Ideologie: Es ist weder pro noch kontra jeglicher Regeln oder Überzeugungen bezüglich der Kindererziehung. Es sagt nicht, was richtig ist oder falsch. Es bewertet nichts als gut oder schlecht und kann daher eigentlich gar nicht anecken oder Streit provozieren. Vielmehr hilft mein Buch uns, in die Tiefen der eigenen Seele zu schauen, ihre geheimen Botschaften zu verstehen und Verstrickungen zu durchschauen, in die wir mit unseren Kindern und uns selbst immer und immer wieder geraten. Natürlich muss dafür die Eigenmotivation der Antreiber sein und vielleicht ein gewisser Leidensdruck, weil die Lektüre an die wunden Punkte nahegeht, und wer schnelle Alltagstipps sucht, wird hier nicht fündig.

Am Weihnachten feiern wir die Geburt einer bestimmten Person. Warum können wir nicht unsere eigene Geburt als Mutter ebenfalls feiern? Denn eine Sache ist es, das Kind zu gebären, und eine andere – sich in der Mutterschaft wirklich angekommen zu fühlen.

Nicht jedes Buch ist ein gutes Geschenk. Das beste Buch ist doch das, was man sich selbst schenk. Seinem wahren Ich dabei ein Stück näher zu kommen, ist dabei das größte Geschenk, oder?

https://www.amazon.de/Jede-Mutter-kann-glücklich-sein/dp/377879275X/ref=sr_1_1?ie=UTF8&qid=1513674667&sr=8-1&keywords=jede+mutter+kann+glücklich+sein

„Sie bekommen Ihre Weihnachtsfreude, Fräulein Prysselius.“  Oder warum wir alle Prusseliese sind.

„Sie bekommen Ihre Weihnachtsfreude, Fräulein Prysselius.“ Oder warum wir alle Prusseliese sind.

Heute zum Geburtstag von Astrid Lindgren möchte ich nicht über Pippi oder Annika schreiben, sondern über Frau Prysselius, von Pippi liebevoll Prusseliese genannt – eine Figur, die wir in den Geschichten von Pippi Langstumpf belächeln und nicht wirklich ernst nehmen, dabei hält sie uns den Spiegel vor und wir belächeln unser eigenes Spiegelbild. Sie ist die Karikatur und Satire auf uns Erwachsene und jeder ist ein bisschen wie sie. Warum das so ist?

Frau Prysselius ist eine zwiespältige Gestalt: auf einer Seite tut sie ehrenvolle Tätigkeit – sie leitet ein Kinderheim und kümmert sich um die Waisenkinder – ein perfektes Aushängeschild. Auf der anderen Seite spüren wir etwas Falsches in ihr. Und ihr Satz: „Sie wissen doch, wie kinderlieb ich bin.“ bringt uns zum Schmunzeln. Sie will ja nur das Beste für Kinder. Stimmt es wirklich? Wer sagt das?

Hier ist eine Szene auf dem Weihnachtsmarkt. Sie jagt Pippi und holt sich Hilfe von den Polizisten mit den Worten:

– Ich möchte, dass sie wenigstens über die Feiertage im Kinderheim ist, sonst habe ich nämlich selbst keine richtige Weihnachtsfreude.

– Sie bekommen Ihre Weihnachtsfreude, Fräulein Prysselius, – antworten die Polizisten.

Pipi bringt Prusselieses Selbstbild als selbstlose Helferin der Kinder ins Schwanken. Man spürt, dass sie ihr Selbstbild um jeden Preis aufrechterhalten will, wie eine Maske, die in Pippis Anwesenheit durchsichtig wird. Die Waisenkinder sind für sie nur ein Instrument, mit dem sie ihr Selbstbild bewahrt. Pippi wehrt sich dagegen, Prusselieses Spielball zu sein und ihrer vorgetäuschten Gestalt Futter zu geben. Und das verärgert Prusseliese: Wie kann so jemand auf freiem Fuß leben? Er gehört doch eingesperrt. Wir alle bearbeiten mit unseren besten Bestrebungen eigentlich nur etwas in uns selbst, auch wenn wir es scheinbar für anderen tun. Wir merken es daran, dass unsere netten Gesten nur „gut gemeint“ bleiben, den anderen aber nicht berühren.

In Prusseliese spüren wir die unendliche Distanz, die Kluft, den Abgrund zwischen der Welt der Erwachsenen und dem Empfinden der Kinder. Als ich klein war, habe ich oft gespürt, dass Erwachsene längst vergessen haben, dass sie selbst einmal Kinder waren. Sie lebten auf einem anderen Planeten, waren mir fremd, hatten kein Einfühlungsvermögen, konnten sich nicht in mich hineinversetzen. Sie waren nur steife, gefühlslose Klötze mit rigiden Vorstellungen über gut oder schlecht. Wir wurden nur aufgefordert, ihren Erwartungen zu entsprechen. Ich habe mir damals fest vorgenommen, mein Empfinden als Kind bis ins Erwachsenenalter nicht zu vergessen, oder besser gesagt nicht zu verlieren.

Wir Erwachsenen wollen scheinbar das Kinderwohl. Doch unter dem Mantel der edlen Absichten verstecken wir etwas anderes – wir versuchen Löcher in unserer Seele zu flicken und tun es in Wirklichkeit für uns selbst, nicht für Kinder. Denn wir schauen nicht in die Kinderseelen hinein, sondern fordern von ihnen, dass diese sich anpassen. Ja, Kinder sind unreif. Ja, sie begeben sich oft unwissend in Schwierigkeiten oder Gefahren. Ja, wir müssen Verantwortung für sie bei manchen Entscheidungen übernehmen. Aber zu oft dient es nur der Rechtfertigung unserer geistigen Abwesenheit in ihrem Leben. Wir sehen Kinder nicht, spüren sie nicht, verstehen sie nicht und drücken ihnen nur unsere Ansichten vom Kinderwohl auf.

Befreien wir uns von den Konventionen und schauen in die realen Kinderseelen hinein. Das können wir allerdings nur, wenn wir uns als Kinder nicht vergessen haben und uns an das Empfinden unserer Kinderseele erinnern. Danke, liebe Astrid, dass du mich in den Momenten, wenn ich mich als Kind vergesse und in meiner erwachsenen Blindheit um mich wüte, wieder daran erinnerst und in die alten Zeiten zurückholst. Das erklärt es, warum mir beim Lesen deiner Bücher so manche Träne entwischt.

 

Mein Auftritt in der Live-Sendung “Leichter Leben” bei AstroTV in Berlin

Vor einer Woche bin ich nach Berlin gereist, um im Studio von AstroTV in der Live-Sendung “Leichter Leben” als Gast des Tages teil zu nehmen. Ich habe über meine Arbeit als Psychologin für junge Müttern berichtet und über mein vor kurzem erschienenes Buch “Jede Mutter kann glücklich sein”. Es gab eine Verlosung und eine glückliche Gewinnerin. Ich fühlte mich wohl im gemütlichen Studio in Gesellschaft von Kollegen und netten Moderatoren. Die laufenden Kameras wurden nach kürzester Zeit vergessen 🙂 Danke AstroTV für die schöne Erfahrung!

Hier ist die Aufzeichnung der Sendung auf YouTube

Von Werberin zur Psychotherapeutin für Mütter.

Wie wird man von Werberin zur Psychotherapeutin für Mütter? Viele Frauen ändern ihre Berufspräferenzen nach der Geburt ihres Kindes, nicht nur aus Vereinbarkeitsgründen.

Hier ist meine Geschichte, die auf der Seite Baby Express veröffentlich wurde. 

Zum weiterlesen bitte auf PDF-Links klicken: BabyExpress1  BabyExpress2

oder auf der Seite Babyexpress.at lesen: http://www.babyexpress.at/familie/entwicklung-erziehung/4538-so-denken-und-fuehlen-muetter

Wie ging es euch mit Euren Berufen? (Für die Kommentarfunktion bitte auf den Beitragstitel klicken)